Systemtheorie als konflikttheoretische Analysemethode?

Universität Duisburg-Essen 
Fachbereich Gesellschaftswissenschaften 
Hausarbeit im Studiengang Sozialwissenschaften 
eingereicht an
Freie Universität Berlin
Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften
Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaften
Thema:  Systemtheorie als konflikttheoretische Analysemethode?
Methodenseminar:  Konflikttheoretische Kontroversen in der Friedensforschung.
eingereicht von:  Nicolai Grossherr ‹748136›
eingereicht am:  20. April 2009
Betreuer:  Prof. Dr. Sven Chojnacki
  
  
 
___________________________
Kontakt:
 
Straße: Dudenstraße 11 
Ort: 10965 Berlin 
Telefon: 030 – 788 921 34 
Mobil:  01520 – 170 45 95
eMail: ng@ngcorp.de 

Inhaltsverzeichnis
 1 Einleitung…………………………………………………………………………………………………1
 2 Herleitung………………………………………………………………………………………………..2
 2.1 Systemdefinition………………………………………………………………………………..3
 2.2 Sinn, Kommunikation und Handlung………………………………………………….11
 2.3 Die Komplexität der Welt …………………………………………………………………15
 3 Schlussbetrachtung………………………………………………………………………………….16
  
  
i

Thema: Systemtheorie als konflikttheoretische Analysemethode?
1
 1  Einleitung
Ziel   dieser   Arbeit   ist   es,   grundlegende   systemtheoretische   Erkenntnisse   zu 
erarbeiten.   Diese   können   als   methodischer   Grundstock   einer   weiterführenden 
Analyse   aufgefasst   werden.  Wobei   diese  Analyse   nicht   im   Rahmen   der  Arbeit 
stattfindet,  sondern  als  potenzielle  Fortsetzung  des erarbeiteten  impliziert  wird. 
Insofern   geht   es   hier   darum,   einen   Einblick   in   die   wichtigsten   Begriffe   der 
Systemtheorie und ihre Methode zu bekommen. Die abschließende Betrachtung 
wird   einen   Fingerzeig   darauf   geben,   wo   mögliche  Anknüpfungspunkte   an   die 
Systemtheorie liegen.
Die Erarbeitung der Theorie gliedert sich in drei Teile. Als Erstes soll mittels des 
Heranführens   an   die   Systemdefinition   und   deren   wissenschaftliche 
Fortentwicklung   sukzessive   ein   Verständnis   für   die   Systemtheorie   erarbeitet 
werden.   Im   Verlaufe   dieses   Diskurses   wird   sich   herausstellen,   dass   der 
Systembegriff allein nicht ausreicht, um zu verstehen, was Luhmann mit seinem 
theoretischen Programm vorgestellt hat. Im zweiten Abschnitt werden in der Folge 
die   Frage   nach   der   Bedeutung   des   Sinns   und   die   Frage   nach   Luhmanns 
Neuinterpretation von Kommunikation beantwortet. Das dritte und letzte Kapitel 
wendet sich den beiden zuvor aufgeworfenen Begriffen Komplexität und Welt zu. 
Den   Abschluss   bildet   eine   kurze   Betrachtung   zum   Begriff   Konflikt   in   der 
Systemtheorie Luhmanns.
Nicolai Grossherr
Seminar: Konflikttheoretische Kontroversen in der Friedensforschung

Thema: Systemtheorie als konflikttheoretische Analysemethode?
2
 2  Herleitung
Es   stellt   sich   grundsätzlich   die   Frage,   inwiefern   sich   der   umfangreiche 
Theorieapparat der luhmannschen Systemtheorie für den Zweck, der Erarbeitung 
von   konflikttheoretischen   Grundlagen   für   die   Friedensforschung,   nutz-   und 
handhabbar machen lässt. Um dies überhaupt zu bewerkstelligen, soll zunächst 
eine   Einführung   in   den   theoretischen   Apparat   erfolgen,   diese   wird 
Basisbestandteile der Systemtheorie näher erläutern und in einen Zusammenhang 
bringen.   Diese   Notwendigkeit   besteht,   um   ein   grundlegendes   Verständnis 
systemtheoretischer Basisvoraussetzungen zu erlangen. Daraufhin werden einzelne 
Punkte   herausgearbeitet,   die   auf   die   Möglichkeiten   einer   spezifischeren 
Betrachtung hinweisen werden.
Ausgehend von der allgemeinen Systemtheorie erarbeitet Luhmann seine Theorie, 
festzuhalten   ist,   dass   die   allgemeine   Systemtheorie   keineswegs   ein   auf   die 
Soziologie beschränkter Theoriestrang ist. Als Begründer einer interdisziplinären 
allgemeinen Systemtheorie („General Systems Theory“) kann der Zoophysiologe 
Ludwig van Bertalanffy gelten, er war dabei fest von der Interdisziplinarität seines 
Ansatzes   überzeugt.   Wobei   er   weniger   von   inhaltlichen   als   vielmehr   von 
strukturellen,   sich   systemtheoretisch,   d.h.   sich   wissenschaftstheoretisch 
definierenden,   Gemeinsamkeiten   ausgeht.   Darüber   hinaus   sind   zwei   weitere 
Entwicklungsvoraussetzungen   für   Luhmanns   Erarbeitung   einer   neuen   Fassung 
einer Systemtheorie – insbesondere, wenn auch nicht nur, für die Soziologie – 
maßgeblich. Zum einen geht er mit seiner Neufassung in Opposition zu Parsons – 
seinem   Lehrer   –   der   die   strukturell-funktionale   Systemtheorie   erarbeitet   und 
vertreten hat. Zum anderen erweitert er seinen Theorieansatz insofern als er mittels 
des   von   ihm   –   von  Humberto   R.   Maturana   und   Francisco   J.   Varela   – 
übernommenen Konzepts der Autopoiesis, d.h. Selbstorganisation, seine Theorie 
Nicolai Grossherr
Seminar: Konflikttheoretische Kontroversen in der Friedensforschung

Thema: Systemtheorie als konflikttheoretische Analysemethode?
3
erweitert. So bietet es sich an zunächst einmal die Systemdefinition bei Luhmann 
und deren Ableitung zu etwas näher betrachten.
 2.1  Systemdefinition
In einer ersten sehr allgemeinen Definition des Begriffs System lassen sich die 
folgenden Bestandteile der als größtenteils akzeptiert voraussetzen, ein System ist: 
die Ganzheit einer Menge von Elementen und deren Relationen zueinander; etwas 
Zusammengesetztes im Vergleich zum Elementaren; eine Ganzheit im Sinne einer 
Einheit,   die   mehr   als   die   bloße   Summe   ihrer   Teile   ist.   Bei   diesen 
Definitionsbestandteilen handelt es sich mehr oder weniger um die Übereinkunft 
klassischer sowie moderner Grundbetrachtungen über Systeme – im Allgemeinen 
wie im Speziellen –, was man unter einem System verstehen kann und soll, wird 
durch   diese   Überlegungen   auf   eine   –   wenn   auch   kleine   –   gemeinsame   Basis 
gebracht. Diese grundlegende Definition entspricht mehr oder weniger in ihren 
Bestandteilen den von Luhmann als Inhalt der ersten Phase der Entwicklung einer 
allgemeinen   Systemtheorie   konstatierten   Inhalten.1  Die   Phase   ist   durch   das  
Schema vom Ganzen und seinen Teilen charakterisiert.“2 
„In der zweiten Phase tritt die Unterscheidung von System und Umwelt an (…)“3 
diese Stelle. Diese Differenzierung zwischen System und Umwelt lässt sich wie 
folgt   erläutern.   Einerseits   wird   festgestellt,   dass   Systeme   immer   eine   Grenze 
aufweisen, was andererseits zu Folge hat, dass es zu jedem System eine Umwelt 
geben muss. Oder anders gesagt, zum einen gibt es das System, bestehend aus 
seinen Elementen und Relationen und zum anderen die Umwelt, die alles was nicht 
zum System gehört umfasst. „Luhmann spricht in Anschluß an (…) Thomas Kuhn  
von   einem   Paradigmenwechsel,   also   einem   Wandel   des   zugrundeliegenden  
1 KNEER & NASSEHI (2000), S. 47 ; siehe auch LUHMANN (1984)
2 KNEER & NASSEHI (2000), S. 47, Hervorhebung im Original
3 KNEER & NASSEHI (2000), S. 47, Hervorhebung im Original
Nicolai Grossherr
Seminar: Konflikttheoretische Kontroversen in der Friedensforschung

Thema: Systemtheorie als konflikttheoretische Analysemethode?
4
Beobachtungsmusters in der Allgemeinen Systemtheorie.“4 Hinzuzufügen ist noch, 
dass   Luhmann   in   der   frühen   Entwicklung   seiner   Theorie   sich   auch   diesem 
Paradigma zuordnete und dass sich Parsons ebenfalls zu diesem zuordnen lässt.5 
Das macht insofern Sinn als die nächste Phase, der nächste Paradigmenwechsel 
erst erarbeitet werden musste und sich erst daraufhin für Luhmann die Möglichkeit 
ergab, seine Theorie als unter einem anderen Paradigma stehend zu konzipieren.
„Die Systemtheorie geht von der Einheit der Differenz von System und  
Umwelt aus. Die Umwelt ist konstitutives Moment dieser Differenz, ist  
also für das System nicht weniger wichtig als das System selbst.“6
Anzumerken ist, dass die vorgenommene Differenzierung zwischen System und 
Umwelt in der nächsten – unten näher erläuterten Phase – keineswegs aufgegeben 
wird. Vielmehr bleibt die Vorstellung von der Einheit der Differenz von System 
und Umwelt bestehen – beziehungsweise wird erweitert. So das sich sagen lässt, 
dass   diese   zweite   Phase,   dieser   zweite   Schritt   für   Luhmann   als   notwendiger 
Entwicklungsbestandteil   seiner   (neueren)   Auffassung   von   Systemtheorie 
angesehen wird.
Luhmann  nimmt  – wie  vorab  schon  angemerkt  wurde –  eine  weitere  – seines 
Erachtens   –   entscheidende   Veränderung   an   der   Konzeption   seiner   Theorie   der 
Systeme   vor,   die   seiner  Auffassung   nach,   einen   weiteren   Paradigmenwechsel 
systemtheoretischer  Theorien  darstellt   bzw.  in  Bezug   auf  sein  Anliegen  in   den 
Bereich der Soziologie einbringt. Dabei greift er insbesondere auf die durch die 
beiden Biologen und Neurophysiologen Humberto R. Maturana und Francisco J. 
Varela erarbeiteten Grundlagen zurück.7 Es erfolgt der Wechsel zum Paradigma der 
Selbstorganisation – der Autopoiesis. Dabei handelt es sich um ein von Maturana 
geprägtes Kunstwort – die Autopoiesis – dass Selbsterzeugung, Selbstherstellung 
bedeutet.8  Auch   wenn   sich,   nach   Luhmann,   damit   das   zugrunde   liegende 
4 KNEER & NASSEHI (2000), S. 47
5 KNEER & NASSEHI (2000), S. 47f.
6 LUHMANN (1984), S. 288; nach KNEER & NASSEHI (2000), S. 69
7 KNEER & NASSEHI (2000), S. 47
8 KNEER & NASSEHI (2000), S. 48
Nicolai Grossherr
Seminar: Konflikttheoretische Kontroversen in der Friedensforschung

Thema: Systemtheorie als konflikttheoretische Analysemethode?
5
Beobachtungsmuster   wandelt,   heißt   das   gerade   nicht,   dass   die   Erkenntnisse 
vorangegangener Phasen der Entwicklung ad Acta gelegt werden. Vielmehr bilden 
diese – so wie sie hier vorgestellt wurden – die Basis, auf der die Autopoiesis als 
Grundlage der Systemtheorie arbeitet – und entwickelt werden konnte. Luhmann 
spricht demnach konsequenterweise in der Folge von autopoietischen Systemen, 
wenn   er   den   Systembegriff   benutzt.   Ein   großer   Teil   seines   weiteren 
wissenschaftlichen   Anliegens   war   es   dann   auch,   die   autopoietische   Wende 
schriftlich darzulegen und sie logisch schlüssig argumentativ vorzustellen.
Neben   den   vorab   schon   getroffenen   Unterscheidungen   müssen   noch   andere 
Eigenschaften von Systemen näher betrachtet werden – insbesondere auch um die 
die  Autopoiesis,   die   Selbstorganisation   besser   verstehen   zu   können.  Als   Erstes 
stellt sich die Frage nach der Organisationsform von Systemen. Hier gibt es die 
Unterscheidung   zwischen   unorganisierter   und   organisierter   Komplexität. 
Unorganisierte   Komplexität   ist   dabei   die   lineare   Verkettung   von 
Einzelphänomenen. Wohingegen organisierte Komplexität sich nicht nach diesem 
einfachen Modell darstellen lässt, insbesondere da sie sich durch Wechselseitigkeit 
auszeichnet,   d.h.   es   handelt   sich   hierbei   um   eine   kausal-relationale   Form   der 
Organisation. Es handelt sich hier um die Frage nach dem wie der Organisation, 
also wie Systeme in ihrem Inneren organisiert sind. Weiterhin lässt sich festhalten, 
dass die von Luhmann ins Auge gefassten Systeme, zumeist soziale Systeme, nach 
der zweiten Form organisiert sind, also dem Typus der organisierten Komplexität 
entsprechen – wie überhaupt alle als komplex zu bezeichnenden Systeme diesem 
Organisationstypus entsprechen.
Eine weitere wichtige Unterscheidung ist die zwischen offenen und geschlossenen 
Systemen.   Dabei   zeichnen   sich   geschlossene   Systeme   durch   folgende 
Eigenschaften aus: Sie sind binnenstabil und verändern sich nach dem Erreichen 
eines   Gleichgewichtszustandes   nicht   mehr;   sie   unterhalten   keine 
Austauschbeziehungen mit ihrer Umwelt; sie zeichnen sich durch unorganisierte 
Nicolai Grossherr
Seminar: Konflikttheoretische Kontroversen in der Friedensforschung

Thema: Systemtheorie als konflikttheoretische Analysemethode?
6
Komplexität aus, da sich die Systemelemente in mathematisch eindeutiger Weise 
zueinander verhalten. Im Gegensatz dazu lassen sich offenen Systemen folgende 
Charakteristika   zuordnen:   Sie   sind   gekennzeichnet   durch   Austauschprozesse 
zwischen  dem  System  und  seiner  Umwelt;  zugleich  haben  offene  Systeme  die 
Fähigkeit zur Veränderung der internen Relationen der Elemente zueinander; sie 
sind demnach in der Lage sich intern zu reorganisieren, dies sowohl abhängig als 
auch   unabhängig   von   Umwelteinflüssen,   es   existiert   allerdings   keine   lineare 
Kausalität zwischen System und Umwelt; Anpassungs- und Veränderungsprozesse 
sind stets interne Operationen eines Systems. Selbst organisierte, autopoietische 
Systeme   sind   von   ihrem   Typ   her   offene   Systeme;   die   meisten   nicht   selbst 
organisierten   Systeme   sind   geschlossene   Systeme   und   werden   im   Rahmen 
systemtheoretischer Überlegungen auch als allopoietische Systeme bezeichnet.9
Das   Paradigma   der   Selbstorganisation   bringt   weiterhin   zum   Ausdruck,   dass 
Systeme nicht linear von ihrer Umwelt gesteuert werden, sondern je nur nach ihrer 
inneren   Eigenlogik   auf   Umweltbedingungen   reagieren.   Dabei   werden   für   die 
Theorie   selbstorganisierender   Systeme   verstärkt   kybernetische   Denkmodelle 
herangezogen.   „Die   Kybernetik   beschreibt   das   Verhältnis   von   Kontrolleur   und  
Kontrolliertem10, wobei der Kontrollierte auf den Kontrolleur zurückwirkt – die 
klassische   Kybernetik   nennt   dies   einen   Rückkopplungseffekt.  „Neuere 
kybernetische Arbeiten (‘second-order-cybernetics’) versuchen darüber hinaus zu  
zeigen,   dass   man   Kontrolleur   und   Kontrolliertes   nicht   eindeutig   voneinander  
unterscheiden kann“11, es besteht eine Wechselseitigkeit der Kontrolle, die nicht 
mehr durch die klassische Kausalitätslehre dargestellt werden kann12. „Sich selbst 
organisierende Prozesse stellen ihre jeweiligen Anfangsbedingungen durch ihren  
Prozess   selbst   her“13  es   wird   in   diesem   Zusammenhang   auch   von   rekursiven 
Prozessen   gesprochen.   Am   weitesten   wurde   die   Vorstellung   von   der 
Selbstorganisation – bisher – durch das Konzept der Autopoiesis vorangetrieben.
9 KNEER & NASSEHI (2000), S. 48-50
10 KNEER & NASSEHI (2000), S. 23
11 KNEER & NASSEHI (2000), S. 23
12 Vgl. KNEER & NASSEHI (2000), S. 24
13 KNEER & NASSEHI (2000), S. 24
Nicolai Grossherr
Seminar: Konflikttheoretische Kontroversen in der Friedensforschung

Thema: Systemtheorie als konflikttheoretische Analysemethode?
7
Insofern lässt sich festhalten, dass Luhmann – die von ihm in der Hauptsache 
betrachteten   –  Systeme  als  selbst   organisierte   offene  Systeme   mit   organisierter 
Komplexität konzipiert. Hierbei gilt immer, dass eine Differenz zwischen System 
und   Umwelt   besteht,   oder   anders   gesagt,   es   gibt   kein   System   ohne   Umwelt. 
Aufgrund   ihrer   Selbstreferenzialität,   die   die   Systeme   auf   den   ersten   Blick 
geschlossen erscheinen lässt, wird die Offenheit der Systeme gewährleistet. „Die 
Geschlossenheit der autopoietischen Organisation ist die Voraussetzung für ihre  
Offenheit. Geschlossenheit und Offenheit gehören somit notwendig zusammen“14, 
in Rückbezug auf die Begriffe Autonomie und Autarkie lässt sich das wie folgt 
formulieren, „autopoietische Systeme sind autonom, aber nicht autark.“15 
Grundsätzlich gilt Luhmanns (Haupt)Interesse – nicht vollkommen überraschend 
für einen Soziologen – sozialen Systemen. Allerdings muss Luhmanns Auffassung 
darüber was die Systeme soziale macht als unüblich, gewöhnungsbedürftig – oder 
für manchen Kritiker gar, unakzeptabel – erachtet werden. 
Zu   betonen   ist   aber,   dass   gerade   das,   also   eine   vollkommen   veränderte 
Herangehensweise,   aufgrund   einer   neuen   theoretischen   Grundlage,   als  das   Ziel 
Luhmanns angesehen werden muss – zumal er der Überzeugung war, dass damit 
ein   wesentlicher   Entwicklungsschritt   in   den   Wissenschaften 
sozialwissenschaftlicher   Prägung   einhergeht.   Allgemein   gesehen   basiert   die 
luhmannsche   Systemtheorie   auf   dem   Ansatz   zu   einem   radikalen 
Konstruktivismus.16 Diesen Ansatz entwickelt er auf der Grundlage verschiedener 
Voraussetzungen,   insbesondere   auch   aus   dem   Bereich   der   Logik   und 
Phänomenologie17, allgemein der Philosophie. Zu nennen wären beispielsweise, 
die   mehrwertige   Logik   von   Günther   Gotthard18,   Intention   und   Sinn   in   der 
14 KNEER & NASSEHI (2000), S. 51
15 KNEER & NASSEHI (2000), S. 51
16 Vgl. KNEER & NASSEHI (2000), S. 55f.
17 Vgl. KNEER & NASSEHI (2000), S. 76, Fn. 17
18 Vgl. KNEER & NASSEHI (2000), S. 102, Fn. 32
Nicolai Grossherr
Seminar: Konflikttheoretische Kontroversen in der Friedensforschung

Thema: Systemtheorie als konflikttheoretische Analysemethode?
8
Phänomenologie von Edmund Husserl19  sowie die Differenz-Logik nach George 
Spencer  Brown20, um nur einige wichtige Quellen anzuführen. Es ist in  dieser 
Arbeit nicht der Raum vorhanden hierzu tiefer gehender einzusteigen, es kann aber 
festgehalten werden, dass die durch Luhmann vorgenommen Interpretationen im 
Rahmen der Erarbeitung seines Theoriegebäudes nicht unumstritten sind. Zugleich 
kann allerdings auch festgehalten werden, dass sie – wenn man keine prinzipiellen 
Einwände hat – in sich, d.h. im Rahmen der Interpretationskette, schlüssig sind und 
somit eine Theorie vorliegt die, wenn man ihre Grundannahmen akzeptiert, einen 
geradezu allumfassenden, universalistischen Erklärungsanspruch bietet, so wie es 
ihr Anspruch ist.21
„In   diesem   Sinne   orientieren   wir   die   allgemeine   Theorie   sozialer  
Systeme an einer allgemeinen Systemtheorie und begründen damit die  
Verwendung des Begriffs »System«.  Für die Theorie sozialer Systeme  
werden   ihrerseits,   und   deshalb   sprechen   wir   von   »allgemein«  
Universalitätsansprüche erhoben.“22

Auch hinsichtlich des (speziellen) Systemtyps soziales System nimmt Luhmann 
eine   weiterführende   Differenzierung   vor.   So   lassen   sich   nach   Luhmann  „drei 
besondere   Typen   von   sozialen   Systemen   unterscheiden,   nämlich  
Interaktionssysteme,
 Organisationssysteme
 und
 Gesellschaftssysteme
Interaktionssysteme   kommen   dadurch   zustande,   daß   Anwesende   handeln.“23 
Organisationssysteme   hingegen   sind   dadurch   gekennzeichnet,   dass   die 
Mitgliedschaften   an   bzw.   in   ihnen   an   bestimmte   Bedingungen   geknüpft   sind.24 
Gesellschaftssysteme   wiederum   umfassen   sowohl   Interaktions-   als   auch 
Organisationssysteme, d.h. allerdings nicht, dass sich aus dieser Zusammensetzung 
ihre   Funktion   ableiten   lässt,  „die   Gesellschaft   ist   mehr   als   die   Summe   ihrer  
Interaktions-   und   Organisationssystem“25  da   das   Gesellschaftssystem   originäre 
19 Vgl. KNEER & NASSEHI (2000), S. 60, Fn. 11 sowie KNEER & NASSEHI (2000), S.63
20 Vgl. KNEER & NASSEHI (2000), S. 96f.
21 KNEER & NASSEHI (2000), S. 8 und S. 44ff.
22 LUHMANN (1984), S. 33
23 KNEER & NASSEHI (2000), S. 42, Hervorhebung im Original
24 KNEER & NASSEHI (2000), S. 42-43
25 KNEER & NASSEHI (2000), S. 43
Nicolai Grossherr
Seminar: Konflikttheoretische Kontroversen in der Friedensforschung

Thema: Systemtheorie als konflikttheoretische Analysemethode?
9
Bestandteile aufweist.26 „Die Gesellschaft ist somit das umfassendste System und  
zugleich   ein   besonderer   Systemtyp,   neben   dem   es   andere   Systemtypen  
(Interaktionen   und   Organisationen)   gibt.“27  Oder   in   Luhmanns   Worten:  „Wir 
müssen   mithin   drei   verschiedene   Ebenen   der   Analyse   von   Gesellschaft  
unterscheiden: (1) die allgemeine Systemtheorie und in ihr die allgemeine Theorie  
autopoietischer Systeme; (2) die Theorie sozialer Systeme; (3) die Theorie des  
Gesellschaftssystems als eines Sonderfalls sozialer Systeme.“28
Es ist deutlich geworden, dass – ausgehend von einer ersten einfachen gefassten 
Definition/Phase – sich der Begriff System allgemein entwickelt und sich an sich 
als   wissenschaftlicher   Begriff,   gar   als   eigenes   wissenschaftliches   Paradigma, 
verfestigt hat. Die Beschreibung komplexer Sachverhalte als System ist somit – 
über die Zeit – Bestandteil verschiedenster Wissenschaften geworden und ist auch 
aus den Gesellschafts- bzw. Sozialwissenschaften nicht mehr wegzudenken.
Hierbei ist es insbesondere Luhmann zu verdanken, dass er die Systemtheorie um 
ihre neueren Entwicklungen erweitert und für die Soziologie verfügbar gemacht 
hat.   Es   kann   als   sein   Verdienst   gelten   das   Paradigma   der 
Selbstorganisation/Autopoiesis für seinen Bereich hoffähig gemacht und sich mit 
diesem Schritt von seinen Vorgängern – insbesondere Parsons – emanzipiert zu 
haben.   Wesentlicher   Schritt   dieses   Vorgangs   war   und   ist   es,   dass   hierbei   die 
Funktionalität   in   den   Fokus   der   Betrachtung   gebracht   wurde   –   speziell   im 
Gegensatz zu Parsons, dessen wesentliche Aufmerksamkeit der Struktur galt. Die 
funktional-strukturelle   Systemtheorie   bzw.   Analyse   kann   als   das 
Forschungsinteresse Luhmanns angesehen werden. 
Einhergeht damit auch eine prinzipielle Umkehr der Betrachtung, die sich mit dem 
Begriff   Äquivalenzfunktionalismus   einfangen   lässt   –   im   Gegensatz   zum 
Kausalfunktionalismus etwa bei Parsons, wobei dies hier bedeutet, dass Kausalität 
26 KNEER & NASSEHI (2000), S. 43f.
27 KNEER & NASSEHI (2000), S. 43
28 LUHMANN (1997), S. 79
Nicolai Grossherr
Seminar: Konflikttheoretische Kontroversen in der Friedensforschung

Thema: Systemtheorie als konflikttheoretische Analysemethode?
10
darin besteht, dass Systeme bestimmte Funktionen haben müssen, um ihre Struktur 
aufrecht   zu   erhalten.   Die   Vorstellung   von   äquivalenten   Funktionen   hingegen 
bezieht sich darauf, dass Systeme bestimmte Funktionen erfüllen, ihre strukturellen 
Begebenheiten aber nur insofern eine Rolle spielen, als sie notwendig sind, um der 
Funktionserfüllung zu dienen. Streng genommen ist es demnach gleichgültig, wie 
Systeme ihre Funktion gewährleisten, die Hauptsache ist, dass ihnen dies auch 
weiterhin möglich ist.
Systeme   dieser   Art   sind   autopoietische   Systeme,   wobei   Autopoiesis   sowohl 
Selbstorganisation   als   auch   Selbsterzeugung,   Selbstherstellung   bedeutet.   Die 
Autopoiesis läuft dabei innerhalb der klaren Grenze des Systems ab – System-
Umwelt-Differenz/Paradigma. Womit autopoietische Systeme in sich geschlossen 
sind, aber zugleich durch Austausch mit der Umwelt offen. Entscheidend ist, dass 
dieser   Austausch   keineswegs   kausal   ist,   vielmehr   werden   die 
Umweltanforderungen im System selbst prozessiert. Dies kann nicht nach dem 
Modell einer linearen Kausalität geschehen, sondern wird in kausal-relationalen 
Organisationszusammenhängen verarbeitet. 
Diese  Annahmen   gelten   allgemein,   aber   eben   auch   speziell   für   den   Typ   des 
sozialen   Systems.   Wobei   Luhmanns   Anspruch   durchaus   darin   bestand   eine 
allgemeine   Theorie   sozialer   Systeme   mit   universalistischer   Tragweite   zu 
erarbeiten. Hierbei sei kurz noch mal auf die Differenzierung sozialer Systeme 
verwiesen – in Interaktions-, Organisations- und Gesellschaftssysteme. Gerade da 
diese sicherlich auch für die Frage einer konflikttheoretischen Betrachtung von 
weiterführendem   Interesse   ist.   Zunächst   ist   es   allerdings   notwendig   weitere 
Grundlagen zu erarbeiten.
Nicolai Grossherr
Seminar: Konflikttheoretische Kontroversen in der Friedensforschung

Thema: Systemtheorie als konflikttheoretische Analysemethode?
11
 2.2  Sinn, Kommunikation und Handlung
„Soziale   Systeme   wollen   wir   (…)   definieren   als   Systeme   sinnhafter  
Kommunikation.“29  Zur   weiteren   Klärung   ist   es   wiederum   notwendig,   einige 
Begriffe der Systemtheorie näher zu betrachten, oder zumindest noch mal kurz zu 
streifen. Hier sollen insbesondere zwei weiterführende Komplexe angesprochen 
werden. Einerseits die Frage nach der Bedeutung des Sinns in der Systemtheorie 
und andererseits Luhmanns Auffassung über Kommunikation und Handlung in der 
Systemtheorie.
Luhmann gibt im Rahmen seiner Theorie einen eigenen Kommunikationsbegriff 
vor,   der   hier   in   aller   Kürze   dargestellt   werden   soll.   Als   Voraussetzung   ist 
anzumerken,   dass   es   sich   bei   allen   sozialen   Systemen   um   Kommunikation 
generierende Systeme handelt. Dabei ist es Notwendigkeit, dass die Umwelt des 
kommunizierenden Systems mindestens zwei psychische Systeme enthält, sonst ist 
eine   Genese   von   Kommunikation   ausgeschlossen.   Die   Anwesenheit   von 
Menschen,   oder   zumindest   menschlichem   Bewusstsein,   ist   demnach   eine 
unüberbrückbare   Voraussetzung   für   soziale   Systeme.   Es   liegt   dabei   eine 
strukturelle Koppelung/Interpenetration des sozialen Systems mit den beteiligten 
psychischen   Systemen   vor,30  sodass   Kommunikation   ohne   den   Menschen   nicht 
möglich ist, allerdings, „der Mensch ist nicht das Subjekt, nicht der Urheber, nicht  
die Ursache von Kommunikation. Allein die Kommunikation kommuniziert (…).“31 
Darüber, also das Kommunikation und ihre Genese Systemen zugeordnet wird, 
hinaus   versteht   Luhmann   unter   Kommunikation   einen   dreigliedrigen   Akt   der 
Selektion,32 „wie hier vorgeschlagen, als Einheit aus Information, Mitteilung und  
Verstehen.“33  Von Kommunikation kann nur gesprochen werden, wenn alle drei 
Bestandteile   vorkommen   und   im   Verstehn   zu   ihrem  Abschluss   kommen,   denn 
„begreift   man   Kommunikation   als   Synthese   dreier   Selektionen   (…),   so   ist   die  
29 MOREL ET AL. (2001), S. 221
30
31 KNEER & NASSEHI (2000), S. 90
32 LUHMANN (1984), S. 193ff.
33 LUHMANN (1984), S. 202
Nicolai Grossherr
Seminar: Konflikttheoretische Kontroversen in der Friedensforschung

Thema: Systemtheorie als konflikttheoretische Analysemethode?
12
Kommunikation   realisiert,   wenn   und   soweit   das   Verstehen   zustandekommt.“34 
Dieser dreigliedrige Selektionsprozess vollzieht sich im bzw. mittels des jeweiligen 
sozialen   Systems   zwischen   personalen   (Bewusstseins-)Systemen.   Handlungen 
wiederum sind für Luhmann nur eine verkürzte – funktional gesehen durchaus 
sinnvolle35  – Beschreibung kommunikativer Akte als Mitteilungshandlungen. Er 
stellt   weiterhin   fest,  dass  etwa  Weber  und  Parsons  durch   ihre  auf  Handlungen 
aufbauenden  Theorien   –   wenn   auch   auf   unterschiedliche  Art   und  Weise   –   die 
Verkürzung   schon   in   ihre   jeweiligen   Theoriegebäude   integriert   haben.36 
Festzuhalten ist: 
„Kommunikationssysteme   begreifen   sich   üblicherweise   als  
Handlungssysteme. Das besagt, daß die Kommunikation sich selbst als  
Handlung,   und   zwar   als   Mitteilungshandlung   auffaßt.   (…)   Dies  
geschieht,   indem   die   Kommunikation   als   Handlung   einer   Person  
zugerechnet wird.“37

Insofern erkennt Luhmann den Begriff der Handlung an, er verweist allerdings 
ausdrücklich darauf, dass mit diesem eine Vereinfachung vonstattengeht, die man 
nicht aus den Augen verlieren darf. Da es sich bei Handlung nur um als Handlung 
interpretierte – durch Kommunikation! – Kommunikation handelt. 
„Geht man vom Sinnbegriff aus, ist als erstes klar, daß Kommunikation  
immer selektives Geschehen ist. Sinn läßt keine andere Wahl als zu  
wählen.   Kommunikation   greift   aus   dem   je   aktuellen  
Verweisungshorizont, den sie selbst erst konstituiert, etwas heraus und  
läßt   anderes   beiseite.   Kommunikation   ist   Prozessieren   von  
Selektion.“38

Sinn ist einer der wesentlichen Begriffe für das tiefer gehende Verständnis der 
Systemtheorie, es ist allerdings wichtig zu berücksichtigen, dass Sinn im Rahmen 
der   Systemtheorie   nicht   mit   dem   Sinn   gemäß   dem   Alltagsverständnis   zu 
verwechseln ist.39 Was aber ist Sinn? Grundsätzlich sieht Luhmann alle sozialen – 
34 LUHMANN (1984), S. 203
35
36 LUHMANN (1984), S. 191f.
37 KNEER & NASSEHI (2000), S. 88
38 LUHMANN (1984), S. 194
39 KNEER & NASSEHI (2000), S. 74f.
Nicolai Grossherr
Seminar: Konflikttheoretische Kontroversen in der Friedensforschung

Thema: Systemtheorie als konflikttheoretische Analysemethode?
13
sowie   auch   psychischen   –   Systeme   als   sinnverarbeitende   Systeme   an.40 
„Konstitutiv für Sinn ist die Unterscheidung von Aktualität und Möglichkeit.“41 
Sinn lässt sich demnach festmachen am derzeitigen Zustand und den möglichen 
kommenden, zukünftigen Zuständen – in der Betrachtung der Entwicklung von 
Sinn   könnte   zudem   auch   noch   vergangener   Sinn   hinzugezogen   werden. 
Sinngeschehen stellt sich also als prozesshafter Vorgang dar und muss auch als 
solcher angesehen werden.
„Und   Sinn   haben   heißt   eben:   daß   eine   der   anschließbaren  
Möglichkeiten   als   Nachfolgeaktualität   gewählt   werden   kann   und  
gewählt werden muß, sobald das jeweils Aktuelle verblaßt, ausdünnt,  
seine Aktualität aus eigener Instabilität selbst aufgibt. Die Differenz  
von Aktualität und Möglichkeit erlaubt mithin eine zeitlich versetzte  
Handhabung   und   damit   ein   Prozessieren   der   jeweiligen   Aktualität  
entlang   von   Möglichkeitsanzeigen.   Sinn   ist   somit   die   Einheit   von  
Aktualisierung   und   Virtualisierung,   Re-Aktualisierung   und   Re-
Virtualisierung   als   ein   sich   selbst   propellierender   (durch   Systeme  
konditionierbarer Prozeß.“42

Sinn ist ein selektiver Prozess, denn es wird stets eine Wahl getroffen und zugleich 
Potenziale   auf   den   aktuellen   Stand   gebracht.   Dabei   werden   Möglichkeiten   des 
Anschlusses   eingeschränkt,   ohne   dass   das   den   prinzipiellen   Ausschluss   von 
Möglichkeiten   zur   Folge   hat.  „Sinn   ist   also   eine   Form   des   Umgangs   mit  
Komplexität. Und zwar ermöglicht Sinn zugleich Reduktion und Erhaltung von  
Komplexität.“43
„Mit jedem Sinn, mit beliebigem Sinn wird unfaßbar hohe Komplexität  
(Weltkomplexität) appräsentiert und für die Operationen psychischer  
bzw.   sozialer   Systeme   verfügbar   gehalten.   Sinn   bewirkt   dabei  
einerseits:   daß   diese   Operationen   Komplexität   nicht   vernichten  
können,   sondern   sie   mit   der   Verwendung   von   Sinn   fortlaufend  
regenerieren. Der Vollzug der Operation führt nicht dazu, daß die Welt  
schrumpft; man kann nur in der Welt lernen, sich als System mit einer  
Auswahl   aus   möglichen   Strukturen   einzurichten.   Andererseits  
reformuliert   jeder   Sinn   den   in   aller   Komplexität   implizierten  

40 LUHMANN (1984), S. 92; MOREL ET AL. (2001), S. 225f.
41 KNEER & NASSEHI (2000), S. 75
42 LUHMANN (1984), S. 100
43 KNEER & NASSEHI (2000), S. 77; siehe zur Komplexität auch das folgende Kapitel
Nicolai Grossherr
Seminar: Konflikttheoretische Kontroversen in der Friedensforschung

Thema: Systemtheorie als konflikttheoretische Analysemethode?
14
Selektionszwang, und jeder bestimmte Sinn qualifiziert sich dadurch,  
daß   er   bestimmte   Anschlußmöglichkeiten   nahelegt   und   andere  
unwahrscheinlich   oder   schwierig   oder   weiterläufig   macht   oder  
(vorläufig) ausschließt.“
44
Es   ist   deutlich   geworden,   dass   soziale   Systeme   nur   als   Prozesse   sinnhafter 
Kommunikation in Luhmanns Sinne verstanden werden können. Einerseits wurde 
herausgearbeitet, dass Kommunikation als dreigliedrige Selektion von Information, 
Mitteilung und Verstehen anzusehen ist. Von Kommunikation kann nur die Rede 
sein, wenn alle drei Bestandteile erfüllt werden. Andererseits wurde deutlich, dass 
Kommunikation, obwohl auf den Menschen angewiesen nicht von diesen, sondern 
von Systemen produziert wird. Hierbei werden Menschen als systemtheoretischer 
Bestandteil   als   Personen,   genauer   als   personal-psychische   Systeme,   definiert, 
insofern   als   sie   demnach   nur   mit   einem   Teil   ihres   komplexen   Ganzen   an 
spezifischen (Kommunikations-)Systemen teilhaben. In einer weiteren Ausführung 
wurde deutlich, dass Kommunikation häufig – wie aufgezeigt wurde, verkürzt – als 
Handlung   interpretiert   wird,   nicht   zu   Letzt,   da   dies   die   Sinn   Zuschreibung 
vereinfacht.   Kommunikation   generierende   Systeme   sind   soziale   Systeme   und 
soziale Systeme sind zugleich Sinn prozessierende Systeme, folglich wird Sinn in 
sozialen   Systemen   kommunikativ   prozessiert.   Die   im   Prozess   ablaufende 
Verarbeitung von Sinn gewährleistet die autopoietische Entwicklung der Systeme, 
d.h. das sich selbst Weiterentwickeln von Funktionssystemen. In der Form, dass 
aktueller   Sinn   immer   zugleich   nach   Nachfolgesinn   Ausschau   hält,   da   die 
Sinnhaftigkeit des Systems nicht unterbrochen bzw. abgebrochen werden kann und 
darf   –   zumindest   nicht   ohne   den   Bestand   des   Systems   zu   gefährden.   Mit   der 
Erarbeitung eines Verständnisses der Begriffe Sinn und Kommunikation sind wir 
dem Verstehen davon, was Funktionssysteme sind oder besser gesagt wie diese 
verstanden werden müssen einen Schritt näher gekommen. Abschließend leitet die 
Betrachtung   des   Sinns   auf   weitere   theoretische   Grundlagen   der   Systemtheorie 
über,   und   zwar   indem   in   diesem   Zusammenhang   die   Begriffe   Welt   und 
44 LUHMANN (1984), S. 94
Nicolai Grossherr
Seminar: Konflikttheoretische Kontroversen in der Friedensforschung

Thema: Systemtheorie als konflikttheoretische Analysemethode?
15
Komplexität aufgeworfen wurden.
 2.3  Die Komplexität der Welt 
„Die Welt ist weder System noch Umwelt, sie umgreift vielmehr alle Systeme und  
die dazu gehörenden Umwelten, sie ist also die Einheit von System und Umwelt.“45 
Für Luhmann wird der Begriff Welt zum äußersten Bezugsrahmen seiner Theorie. 
Dabei wählt er Welt, da davon auszugehen ist, dass dieser globale Maßstab alle 
potenziell an den spezifischen sozialen Funktionssystemen beteiligten psychisch-
personalen   Systeme   einschließt.   Davon,   also   von   einer   physisch   verstanden 
Interpretation, abgesehen kann und muss Welt ohnehin als Metapher verstanden 
werden. Nämlich, als Metapher für alle sinnverarbeitenden – diese sind wie oben 
dargestellt   wurde   sowohl   psychische   als   auch   soziale   –   Systeme   und   deren 
Interdependenzen zueinander. „Zugleich ist die Welt aber auch mehr als die bloße  
Summe aller Möglichkeiten, sinnhafte Verweisungen nachzuvollziehen. Sie ist nicht  
nur die Summe, sie ist die Einheit dieser Möglichkeiten.“46 Es wird somit nochmals 
deutlich, dass die größtmögliche Einheit funktionalistischer Betrachtung die Welt 
ist.   „(…)   In   der   Erfassung   und   Reduktion   von   (Welt)Komplexität,   sieht   er  
[Luhmann, N.G.] die allgemeinste und jeder Struktur vorgeordnete Funktion, die  
durch die Bildung systemischer (…) Strukturen erfüllt wird (…).“47 Allgemein lässt 
sich   demnach   festhalten,   dass   Systeme   durch   ihre   strukturelle   und   funktionale 
Ordnung die Gesamtheit der Komplexität handhabbarer machen. „Sie übernehmen 
die   Aufgabe   der   Reduktion   von   Komplexität.“48  Dabei   wird   das   Äußerste   an 
Komplexität durch den Begriff Weltkomplexität bezeichnet, da die Grenzen von 
Komplexität auf den größtmöglichen Bezugsrahmen rückbezogen werden müssen. 
In Anbetracht der Tatsache, dass Menschen nicht in der Lage sind, diesen äußeren 
Rahmen zu verarbeiten sind sie auf Systeme, die die Reduktion der Komplexität 
vorgeben, angewiesen, um überhaupt mit den Bedingungen der Welt umgehen zu 
45 KNEER & NASSEHI (2000), S. 40
46 LUHMANN (1984), S. 106
47 SCHNEIDER (2005), S. 272
48 KNEER & NASSEHI (2000), S. 40
Nicolai Grossherr
Seminar: Konflikttheoretische Kontroversen in der Friedensforschung

Thema: Systemtheorie als konflikttheoretische Analysemethode?
16
können. Diese Vermittlungsrolle übernehmen die sozialen Systeme – eines ihrer 
Merkmale ist es ja, dass sie auf eine Mehrheit, also mindestens zwei, personal-
psychische   Systeme   angewiesen   sind,   unter   Einbeziehung   der   strukturellen 
Koppelung   der   psychischen   Systeme   mit   dem   sozialen   System   –   für   den 
Menschen.49
Dieser Abschnitt macht noch einmal – in aller Kürze – deutlich, worum es bei der 
funktionalistischen   Betrachtung   und   Analyse   geht.   Zuvorderst   das   Ziel   die 
Komplexität der Welt versteh- und handhabbar zu machen. Dies geht einher mit 
der Erkenntnis, dass Systeme an sich zu Sphären reduzierter Komplexität führen. 
Der maximale Rahmen, die Bezugsgröße, von Funktionssystemen wird durch den 
Begriff Welt repräsentiert. Luhmann sieht ein weltumspannendes Funktionssystem 
beispielsweise   beim   System   Wirtschaft   als   gegeben   an.   Entscheidend   ist,   dass 
selbst Funktionssysteme im Weltmaßstab eine Umwelt haben – so benötigt die 
Wirtschaft einerseits personale Systeme um überhaupt ein soziales System zu sein 
und   andererseits   befinden   sich   die   übrigen   Funktionssysteme   in   ihrer   Umwelt. 
Weltkomplexität   wiederum   kennt   keine   Umwelt   und   kann   demnach   auch   kein 
System   sein,   es   handelt   sich   dabei   vielmehr   um   eine   Denkfigur.   Eben   jene 
Denkfigur, an der sich die vorgestellte Theorie abarbeitet. 
 3  Schlussbetrachtung
Mit   dem   bisher   erarbeiteten  Wissen  ist   der   Grundstein   für  eine   tiefer   gehende 
Betrachtung   und   Analyse   mithilfe   der   Systemtheorie   gelegt.   Bei   dem   hier 
folgenden   handelt   es   sich   um   Gedanken   zur   möglichen   Anwendung   der 
funktionalistischen Analyse in Hinblick auf eine konflikttheoretische Perspektive, 
insbesondere, welche Rolle spielt der Konflikt in der Theorie Luhmanns.
Ganz allgemein kann die Frage gestellt werden, ob Luhmanns Theorie überhaupt 
49 KNEER & NASSEHI (2000), S. 40f.
Nicolai Grossherr
Seminar: Konflikttheoretische Kontroversen in der Friedensforschung

Thema: Systemtheorie als konflikttheoretische Analysemethode?
17
als konflikttheoretisch anzusehen ist? Thorsten Bonacker kommt in seinem Text50 
eindeutig zu diesem Ergebnis, wohingegen im Rahmen des Theorievergleichs von 
Bourdieu und Luhmann51  gerade die Tatsache, dass sich Luhmann nicht explizit 
mit sozialen Konflikten beschäftigt als interessant herausgestellt wird. Allerdings 
unterscheidet   die   zweite   genannte   Quelle,   insofern   als   sie   einerseits   von 
differenzierungstheoretischen Theorien spricht und andererseits soziale Konflikte 
als spezielle Form der Differenzierung hervorhebt. Das macht einerseits Sinn ist 
aber   andererseits   für   die   hier   zu   Beantwortetende   Frage   nicht   von   großer 
Bedeutung,   insofern   will   ich   die   Frage,   ob   die   luhmannsche   Systemtheorie 
konflikttheoretisch ist offen lassen, oder mich damit begnügen, dass sie zumindest 
differenzierungstheoretisch ist.
Eine andere Frage ist, was hat Luhmann selbst im Rahmen seiner Theorie zum 
Konflikt als sozialen Phänomen zu sagen? „Von Konflikten wollen wir immer dann  
sprechen,   wenn   einer   Kommunikation   widersprochen   wird.   Man   könnte   auch  
formulieren: wenn ein Widerspruch kommuniziert wird. (…) Ein Konflikt liegt also  
nur dann vor, wenn Erwartungen kommuniziert werden und das Nichtakzeptieren  
der Kommunikation rückkommuniziert wird.“52 Allein die Feststellung, dass es sich 
beim Konflikt um ein soziales Phänomen handelt, muss nach den in dieser Arbeit 
herausgearbeiteten   Erkenntnissen   Hinweis   genug   sein,   um   festzustellen,   dass 
Konflikt nur in und als Kommunikation sein kann, so wie es obiges Zitat noch mal 
bestätigt. Weiterhin stellt Luhmann demzufolge fest,  „es ist demnach prinzipiell  
verfehlt, Konflikte auf ein Versagen von Kommunikation zurückzuführen (…)“53, 
vielmehr   sind   Konflikte   –   im   Sinne   der   Systemtheorie   –   Kommunikation   und 
darüber hinaus ein  „soziales System besonderer Art54. Dabei können Konflikte 
innerhalb jedes Typs des sozialen Systems auftreten, also sowohl in Interaktions-, 
Organisations-   als   auch   in   Gesellschaftssystemen.  „Bei   all   dem   geht   es   nicht  
einfach darum, daß die Interaktion für kleine, die Gesellschaft für große Konflikte  
50 BONACKER (2006)
51 NASSEHI & NOLLMANN (2004); KNEER (2004)
52 LUHMANN (1984) S. 530
53 LUHMANN (1984) S. 530
54 LUHMANN (1984) S. 531
Nicolai Grossherr
Seminar: Konflikttheoretische Kontroversen in der Friedensforschung

Thema: Systemtheorie als konflikttheoretische Analysemethode?
18
zuständig ist. (…) Die strukturelle Selektion bedeutsamer Konflikte wird durch die  
Differenz   von   Interaktionssystem   und   Gesellschaftssystem   bewirkt   (…).“55 
Hierdurch   wird   deutlich,   dass   eine   systemtheoretische   Konfliktanalyse   auf 
Gesellschaftsebene   –   wobei   Gesellschaft   der   Dreiklang   von   Gesellschafts-, 
Organisationssystemen und Interaktionssystemen ist – sich dadurch auszeichnen 
muss,   dass   sie   die   verschiedenen   Ebenen,   d.h.   Systemtypen,   sozialer   Systeme 
berücksichtigt   und   in   einen   Zusammenhang   bringt.   Bezüglich   der   Rolle   des 
Konflikts in der Evolution von Gesellschaften lassen sich einige weiterführende 
Überlegungen bei Luhmann finden56, die hier allerdings nicht weiter ausgeführt 
werden können. Allgemein kann festgestellt werden, dass Luhmann die Bedeutung 
des   Konflikts   durchaus   sieht,   natürlich   handelt   es   sich   dabei   um   die 
systemtheoretisch   gewendete   Interpretation   von   Konflikten.   Dies   gilt   für   alle 
Funktionssysteme, aber eben auch, wie das folgende Zitat verdeutlicht, für den 
Bereich der Politik:  „Die Ausdifferenzierung eines politischen Systems kann nur  
gelingen, wenn innerhalb dieses Systems Konflikte zugelassen werden.“57 
55 LUHMANN (1984) S. 535-536
56 LUHMANN (1997), S. 456-472
57 LUHMANN (2002), S. 94
Nicolai Grossherr
Seminar: Konflikttheoretische Kontroversen in der Friedensforschung

Thema: Systemtheorie als konflikttheoretische Analysemethode?
19
Literaturverzeichnis
BONACKER,   T.   (2006):   Krieg   und   die   Theorie   der   Weltgesellschaft.   Zur 
makrosoziologischen   Erklärung   neuerer   Ergebnisse   der   empirischen 
Kriegsforschung. In: A. Geis (Hrg.),  Den Krieg überdenken. Kriegsbegriffe und  
Kriegstheorien in der Kontroverse. Nomos.  S. 75-94.
Kneer, G. (2004). Differenzierung bei Luhmann und Bourdieu. Ein 
Theorievergleich. In: A. Nassehi & G. Nollmann (Hrg.): Bourdieu und Luhmann. 
Ein Theorievergleich
. Suhrkamp. S. 25-56.
KNEER, G. & NASSEHI, A. (2000): Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme. 
UTB.
LUHMANN, N. (1984): Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. 
Suhrkamp.
LUHMANN, N. (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft. Suhrkamp.
LUHMANN, N. (2002): Die Politik der Gesellschaft. Suhrkamp.
MOREL,  J.,  BAUER,  E.,  MELEGHY, T.,  NIEDENZU,  H.,  PREGLAU,  M.  & 
STAUBMANN,   H.   (2001):   Soziologische   Theorie.   Abriß   der   Ansätze   ihrer 
Hauptvertreter. Oldenbourg.
SCHNEIDER,  W.   L.   (2005):   Grundlagen   der   soziologischen  Theorie.   Band   2: 
Garfinkel - RC – Habermas - Luhmann. VS Verlag.
Nicolai Grossherr
Seminar: Konflikttheoretische Kontroversen in der Friedensforschung

Comments

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *